Erfahrungshintergrund zur Gender Pay Gap
Bereits in den Jahren 2008 bis 2011 hat Baumgartner & Partner ein umfassendes Beratungsprojekt für 200 Unternehmen im Auftrag des Bundesfamilienministeriums zur Entgeltlücke (Gender Pay Gap) realisiert sowie ein entsprechendes Web-Analysetool entwickelt.
- Die unbereinigte Entgeltlücke lag bei 20,8%.
- Die bereinigte Entgeltlücke lag bei ca. 5%.
Die Ursachen dafür sind Erwerbsunterbrechungen und ein hoher Anteil an Teilzeitarbeit bei Frauen, ihre häufige Beschäftigung in Positionen unterhalb ihres Ausbildungsniveaus sowie eine wachsende Entgeltlücke mit steigender Karrierestufe.
BEDEUTUNG VON ENTGELTTRANSPARENZ
Die Entgelttransparenz ist ein zentraler Hebel zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt. Seit Jahrzehnten wird die Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen in Europa und insbesondere in Deutschland kritisch diskutiert. Trotz zahlreicher Initiativen und gesetzlicher Maßnahmen bleibt die Schließung dieser Lücke eine Herausforderung. Die neue EU-Entgelttransparenzrichtlinie zielt darauf ab. die bestehenden Ungleichheiten systematisch zu adressieren und Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, ihre Vergütungspraktiken transparenter und gerechter zu gestalten.
HISTORISCHER KONTEXT DER LOHNUNGLEICHHEIT
In Deutschland betrug die unbereinigte Gender Pay Gap im Jahr 2023 etwa 18 %, womit das Land weiterhin zu den Schlusslichtern in Europa gehört. Zwar ist diese Zahl seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2006, als die Lücke noch bei 23 % lag, leicht gesunken, dennoch bleiben die Fortschritte gering. Selbst das Entgelttransparenzgesetz von 2017, das in Deutschland einen individuellen Auskunftsanspruch über die Entgeltstrukturen im Betrieb einführte, hat bislang nur begrenzte Wirkung gezeigt.
EIN ÜBERBLICK
VERÖFFENTLICHUNG UND UMSETZUNGSFRIST
Am 17. Mai 2023 wurde die Richtlinie im EU-Amtsblatt veröffentlicht und tritt gemäß Art. 36 der Richtlinie am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung, und damit am 6. Juni 2023, in Kraft. Spätestens nach der dreijährigen Umsetzungsfrist gemäß Art. 34 Abs. 1 der Richtlinie, nämlich bis zum 7. Juni
2026, müssen alle EU-Staaten alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie eingeführt haben. Für den deutschen Gesetzgeber bedeutet das insbesondere die Uberarbeitung des bestehenden Entgelttransparenzgesetzes.
ZIELE DER RICHTLINIE
Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie verpflichtet Unternehmen dazu, ihre Entgeltstrukturen transparent und nachvollziehbar zu gestalten. Dadurch soll nicht nur die Entgeltgleichheit gefördert. sondern auch die Attraktivität und das Employer Branding von Unternehmen gestärkt werden. Transparente Vergütungsstrukturen erhöhen das Vertrauen der Belegschaft, verbessern die Mitarbeiterbindung und können langfristig die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens steigern.
ZENTRALE ELEMENTE
INFORMATIONSRECHTE DER ARBEITNEHMER
Arbeitnehmerinnen haben das Recht, Informationen über die Kriterien zur Entgeltfindung sowie die verwendeten Entgeltstrukturen zu erhalten (Art. 6). Zudem können sie individuelle Auskünfte über ihre eigene Entgelthöhe sowie über die Durchschnittsgehälter innerhalb vergleichbarer Gruppen verlangen, wobei diese nach Geschlecht aufgeschlüsselt sein müssen (Art. 7).
Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitenden können von bestimmten Informationspflichten befreit werden.
INFORMATIONSPFLICHTEN GEGENÜBER BEWERBERN (ART. 5)
Unternehmen sind verpflichtet. BewerberInnen bereits im Vorfeld über das Einstiegsgehalt oder die Gehaltsbandbreite der ausgeschriebenen Stelle zu informieren. Zudem dürfen Bewerbende nicht nach ihren bisherigen Gehältern gefragt werden. Es ist ebenfalls erforderlich, dass Stellenausschreibungen sowie das gesamte Bewerbungsverfahren geschlechtsneutral gestaltet werden.
BERICHTSPFLICHTEN FUR UNTERNEHMEN (ART. 9)
Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden sind verpflichtet, jährlich über das geschlechtsspezifische Entgeltgefälle zu berichten. Unternehmen mit 100 bis 249 Mitarbeitenden müssen ab dem Jahr 2031 alle drei Jahre einen solchen Bericht vorlegen. Die Berichte müssen Angaben zu den durchschnittlichen Entgelthöhen, variablen Vergütungsbestandteilen sowie dem Anteil von Frauen und Männern in den verschiedenen Entgeltquartilen enthalten.
GEMEINSAME ENTGELTBEWERTUNG (ART. 10)
Wenn Unterschiede im Entgelt von mehr als 5% nicht objektiv gerechtfertigt sind, muss eine gemeinsame Stellenbewertung mit den Arbeitnehmervertretern durchgeführt werden. Verstöße gegen die Richtlinie können mit wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen geahndet werden. Arbeitnehmer haben außerdem Anspruch auf Schadensersatz und die Nachzahlung entgangener Entgelte.
HERAUSFORDERUNGEN FÜR UNTERNEHMEN
UMSETZUNG DER TRANSPARENZANFORDERUNGEN
Unternehmen sind dazu verpflichtet, ihre Entgeltstrukturen zu überprüfen und an geschlechtsneutrale Kriterien anzupassen. Ein wichtiger Schritt, um Diskriminierungsrisiken zu minimieren, ist zudem die Einführung von standardisierten Stellenbewertungen.
DOKUMENTATION UND BEWEISLASTUMKEHR
Unternehmen müssen alle Vergütungsentscheidungen dokumentieren, um die Beweislastumkehr im Streitfall zu bestehen.
Beispiel: Wenn eine Mitarbeiterin eine Entgeltdiskriminierung nachweist, muss der Arbeitgeber darlegen, dass die Differenz nicht auf Diskriminierung beruht (BAG- Urteil vom 16.02.2023, 8 AZR 450/21).
ANPASSUNG DES KARRIERE- UND VERGÜTUNGSMANAGEMENTS
Stellenbewertungen sind die Grundlage für transparente und faire Karrierewege. Die Einführung eines Grading-Systems, das Funktionsstufen und Gehaltsbänder differenziert. sorgt für mehr Klarheit. Zudem müssen Führungskräfte geschult werden, um leistungsorientierte Vergütungssysteme einheitlich und gerecht anzuwenden.
HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
ENTWICKLUNG EINES GANZHEITLICHEN ENTGELT- UND KARRIEREMANAGEMENTSYSTEMS
Die Stellenbewertung und Funktionsstufen erfordern die Verabschiedung klarer Stellenbeschreibungen sowie eine systematische Bewertung der Anforderungsprofile und Leistungskennzahlen. Im Bereich des Vergütungsmanagements müssen marktgerechte Gehaltsbänder festgelegt und regelmäßige Gehaltsanpassungen vorgenommen werden, die sowohl auf den aktuellen Marktbedingungen als auch auf internen Bewertungen basieren.
INTEGRATION DIGITALER TOOLS
Der Einsatz moderner Plattformen wie dem HR Online Manager ermöglicht es. Stellenprofile. Markt-Vergütungsdaten und Karrieremodelle digital zu verwalten und kontinuierlich anzupassen.
KOMMUNIKATION UND CHANGE MANAGEMENT
Die neuen Vergütungsstrukturen sollten transparent an alle Mitarbeitenden kommuniziert werden. Zudem sind Schulungen für Führungskräfte erforderlich, um eine einheitliche Anwendung der Vergütungskriterien sicherzustellen.
FAZIT: CHANCEN DER RICHTLINIE
Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie bietet Unternehmen die Chance, ihre Vergütungs- und Karrierestrukturen zu modernisieren. Eine erfolgreiche Umsetzung fördert nicht nur die Chancengleichheit, sondern stärkt auch das Employer Branding und verbessert die Mitarbeiterbindung. Unternehmen, die proaktiv handeln, können dadurch Wettbewerbsvorteile erlangen und gleichzeitig Rechtsrisiken minimieren.
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